Mediation bei der Güterichterin oder beim Güterichter
Seit mehr als sechs Jahre bietet das Amtsgericht Bad Iburg Parteien eines Rechtsstreits eine zusätzliche Möglichkeit an, ihren Streit beizulegen: Die Mediation.
Mediation ist ein besonderes Verfahren, in dem die Parteien mit Unterstützung einer Güterichterin oder eines Güterichters ihren Konflikt selbstständig lösen. Die Teilnahme an der Mediation erfolgt ausschließlich auf freiwilliger Basis. Der Güterichter unterstützt die Parteien zusammen mit deren Rechtsanwälten bei der Suche nach gemeinsamen Lösungen. Er sorgt dafür, dass alle aus Sicht der Parteien wesentlichen Interessen und Aspekte berücksichtigt werden und hilft ihnen, festgefahrene Situationen zu überwinden.
- Ein Güterichter ist neutral und allparteilich.
- Ein Güterichter entscheidet nicht.
Rechtsargumente werden gemeinsam diskutiert und für die Lösungsfindung nutzbar gemacht.
Bislang haben beim Amtsgericht Bad Iburg rund 120 Mediationen stattgefunden. Die Einigungsquote ist hoch: In rund 70% der Fälle haben die Parteien eine einvernehmliche Lösung gefunden.
Warum Mediation?
Globalisierung, weltweite Vernetzung, wirtschaftliche Probleme, zunehmende Pluralität und Individualität stellen uns und unsere Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Immer seltener gelingt es, alle Lebensbereiche bis ins kleinste Detail rechtlich zu regeln. Das Recht befindet sich in einem ständigen Fluss, der immer schneller fließt. Die Kompetenz sich kooperativ und fair, mit Blick auf die Interessen aller Beteiligten zu einigen, gewinnt für ein friedliches Zusammenleben zunehmend an Bedeutung. Hierzu passt die Mediation als eine die Beziehung schonende und die Parteien wertschätzende Methode der Streitbeilegung vorzüglich.
Was sind Konflikte?
Konflikte sind so alt wie die Menschheit und es gibt sie auf allen Ebenen des Zusammenlebens, denn Milliarden Menschen auf dieser Erde haben unterschiedliche Wünsche, Meinungen und Interessen. Wenn diese verschiedenen Vorstellungen in Form von Standpunkten aufeinandertreffen und es scheinbar unmöglich ist, beide gleichzeitig zu verwirklichen, entsteht ein Konflikt. Konflikte sind jedoch nicht negativ, sondern können im Gegenteil enormes wirtschaftliches und soziales Potenzial freisetzen. Sie zeigen an, dass etwas verändert werden muss.
Konfliktlösungen durch gerichtliche Entscheidungen
Eine gute und altbewährte Möglichkeit zur Lösung von Konflikten ist die Anrufung eines Gerichtes. In der Regel wendet sich bei ungelösten Streitigkeiten eine Partei an ein Gericht, um mit Hilfe eines Richters ihr Recht durchzusetzen. Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung ist dann aber nicht der tatsächlich bestehende Konflikt, sondern nur der rechtlich relevante Konfliktausschnitt, der sogenannte juristisch relevante Sachverhalt.
Die juristische Lösung beginnt immer mit der Suche nach einer gesetzlichen Norm, die den begehrten Anspruch gewährt. Ob deren Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, ist Gegenstand der weiteren juristischen Prüfung: Der Richter extrahiert die sogenannten Anspruchsvoraussetzungen aus den Angaben der Parteien, er ermittelt den juristisch relevanten Sachverhalt. Alles was für die rechtliche Lösung irrelevant ist, filtert er heraus.
Streitet sich beispielsweise ein in Scheidung lebendes Ehepaar um den während der Ehe angeschafften Hund, wird sich die Richterin oder der Richter nur für die Tatsachen interessieren, die einen Anspruch auf den Hund begründen können. Da das Bürgerliche Gesetzbuch kein Umgangsrecht für Tiere kennt, wird er sich auf die Voraussetzungen des § 1568b Bürgerliches Gesetzbuch konzentrieren, also klären, in wessen Eigentum der Hund steht: Wer hat den Hund angeschafft, wem sollte er gehören, wer hat ihn bezahlt? Wurde der Hund von beiden gemeinsam angeschafft und besteht deshalb Miteigentum? Der Konflikt wird subsumiert und so rechtlich bewertbar gemacht.
Die Parteien, die den Rechtsstreit gewinnen wollen, werden sich bemühen, Fakten zu sammeln, die ihren (Eigentums-) anspruch auf den Hund untermauern. Diese finden sich notwendigerweise in der Vergangenheit. Entscheidend ist, wer damals, bei der Anschaffung Eigentümer des Hundes geworden ist. Jede Partei wird deshalb versuchen, den Richter davon zu überzeugen, dass sie – und nicht die andere – Eigentümer des Hundes geworden ist. Sie wird Fakten (Beweise) sammeln und gleichzeitig versuchen nachzuweisen, dass die Fakten der oder des anderen falsch sind. Sie wird das vor allen Dingen deshalb tun, weil nur eine Partei den Prozess gewinnen kann. Die andere wird zwangsläufig den Prozess, d. h. in diesem Fall den Hund, verlieren.
Gerichtsverfahren als Konfliktlösungsverfahren zeichnen sich dementsprechend durch folgende Eigenschaften aus:
• Sie beschränken sich auf den rechtlich erheblichen Sachverhalt (Konfliktausschnitt),
• sie sind vergangenheitsorientiert,
• sie sind anspruchs- und positionsbezogen,
• sie produzieren Gewinner und Verlierer,
• sie delegieren den Konflikt an einen Dritten,
• sie gewähren Rechtssicherheit.
Konfliktlösung durch Mediation
Mediation basiert auf dem „Gewinner-Gewinner“ Prinzip und hat zum Ziel, die individuellen Interessen beider Seiten zu berücksichtigen und zu befriedigen. In der Mediation wird der gesamte Sachverhalt bei der Lösungsfindung berücksichtigt und es werden Hintergründe der Auseinandersetzung erfragt. Außerdem konzentrieren sich die Streitenden auf den Konflikt, nicht auf die Person des Gegners. Personen und Probleme werden ganz bewusst getrennt. Parteien können so individuelle passgenaue Lösungen für ihren Konflikt finden. So ist ein Besuchs- und Umgangsrecht in Bezug auf den „gemeinsamen“ Hund denkbar. Es kann eine wochenweise wechselnde Betreuung vereinbart und Absprachen für die Urlaubszeit können getroffen werden. Ganz individuell. Entscheidung und Verantwortung liegen allein bei den Parteien.
Im Unterschied zum Richter verantwortet der Mediator nicht das Ergebnis der Mediation, sondern lediglich den Prozess. Er hat keinerlei Entscheidungsbefugnis. Richter und Mediator sind also zwei völlig verschiedene Rollen.
Fazit – Welche Vorteile bietet Mediation?
In der Mediation geht es, anders als im gerichtlichen Verfahren, nicht um Positionen, sondern um Bedürfnisse und Interessen. Mediation erweitert das Blickfeld der Streitparteien, das aufgrund der Konfliktsituation zumeist sehr eingeschränkt ist. Bei der Mediation geht es nicht in erster Linie um die Wahrheit, sondern um den verständigen Umgang mit unterschiedlichen Wahrnehmungen. Die Methode ist gekennzeichnet durch Mitmenschlichkeit, Respekt, Wertschätzung und durch die Bereitschaft, sich für die eigenen Interessen einzusetzen, aber auch die Interessen anderer zu akzeptieren. Auf dieser Grundlage können in der Güteverhandlung Ergebnisse erzielt werden, die für alle Betroffenen günstig sind.
Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag von Susanne Kirchhoff und Dr. Kati Zenk „Mehr Sicherheit durch eine neue Streitkultur?“ - Möglichkeiten und Chancen der Mediation in der Prävention“ veröffentlicht in: Erich Marks & Wiebke Steffen (Hrsg.): Engagierte Bürger - sichere Gesellschaft, Ausgewählte Beiträge des 13. Deutschen Präventionstages, Forum Verlag 2009, Seite 321-326.
Das Erklärvideo wurde von Richterin am Amtsgericht Dr. Verena Schaumann, Amtsgericht Braunschweig, in Zusammenarbeit mit dem ZIB erstellt. Vielen Dank!