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Zahlungsdienstleister haften für nicht autorisierte Bargeldabhebungen mittels EC-Karte

Auf der Reeperbahn nachts um 3.53 Uhr …


BAD IBURG. Ein gegen den Bankkunden sprechender Anscheinsbeweis, dass er die zur EC-Karte gehörende PIN nicht sorgfältig geheim gehalten hat, ist erschüttert, wenn feststeht, dass die Karte gestohlen wurde und die Diebin oder der Dieb vor der Nutzung die persönliche Geheimzahl des Karteninhabers ausgespäht hat. Die Bank hat dann konkret nachzuweisen, dass der Bankkunde seine Pflicht, seine PIN vor unbefugtem Zugriff zu schützen, verletzt hat. Gelingt ihr dieser Nachweis nicht, hat sie dem Kunden den abgebuchten Betrag zu erstatten, wie das Amtsgericht Bad Iburg jetzt entschieden hat (Urteil vom 31.3.2021, 4 C 430/20).

Was war passiert?

Der Kläger war nachts auf der Reeperbahn in Hamburg unterwegs. Nachdem er gegen 3:42 Uhr morgens an einem Geldautomaten 100,00 EUR abgehoben hatte, wurde er auf dem Weg zum Taxi von einer ihm unbekannten Frau, „die dort wohl ihrem Gewerbe nachging“, angesprochen. Als die Frau weiterging, stellte der Kläger fest, dass seine Jackentasche offen und seine EC-Karte verschwunden war.

Der Kläger meldete den Vorfall bei einer örtlichen Polizeiwache und ließ die EC-Karte sperren. Dennoch wurden um 3:53 Uhr mit der EC-Karte an einem anderen Geldautomaten in der Umgebung ein Barbetrag von 900,00 EUR (bis zum zulässigen Tageslimit des Girokontos) abgehoben.

Der Kläger verlangt diesen Betrag von seiner Sparkasse (Beklagte) ersetzt. Er behauptet, die PIN nirgendwo schriftlich festgehalten und niemandem mitgeteilt zu haben. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die PIN bei einem vorherigen Abbuchungsvorgang ausgespäht worden sei, beispielsweise durch verstecktes Filmen bzw. eine angebrachte Minikamera oder sog. „Skimming“.

Wie hat das Amtsgericht Bad Iburg entschieden?

Das Amtsgericht Bad Iburg hat die Sparkasse antragsgemäß verurteilt. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Erstattung der 900,00 EUR aus § 675u S. 2 BGB zu. Nach dieser Vorschrift ist der Zahlungsdienstleister im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs verpflichtet, den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten.

Die Abhebung der 900,00 EUR sei „nicht autorisiert“ im Sinne von § 675u BGB. Es stehe fest, dass dem Kläger die EC-Karte abhandengekommen sei und er die am 15.09.2019 um 3:53 Uhr getätigte Barabhebung über 900,00 EUR nicht veranlasst oder genehmigt habe.

Der Erstattungsanspruch scheitere nicht daran, dass der Kläger als Karteninhaber den nicht autorisierten Zahlungsvorgang durch eine grob fahrlässige Verletzung seiner Pflichten als Kartennutze herbeigeführt habe. Die beklagte Sparkasse habe einen solchen Sorgfaltspflichtverstoß des Klägers nicht beweisen können.

Zwar spreche grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Karteninhaber die PIN auf der EC-Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat, wenn zeitnah nach dem Diebstahl einer EC-Karte unter Verwendung dieser Karte und Eingabe der PIN an einem Geldautomaten entsprechende Barbeträge abgehoben werden. Dies sei jedoch keinesfalls zwingend. Werde ein solcher Anscheinsbeweis erschüttert, müsse die Bank oder Sparkasse ihrem Kunden eine Pflichtverletzung konkret nachweisen. Dies habe die beklagte Sparkasse nicht gekonnt.

Im vorliegenden Fall sei es dem Kläger gelungen, den Anscheinsbeweis zu erschüttern: Er habe dargelegt und bewiesen, dass die Diebin vor Nutzung der EC-Karte die persönliche Geheimzahl des Karteninhabers ausgespäht hat: Die EC-Karte sei in einem näheren zeitlichen Zusammenhang mit einer vorherigen Eingabe der PIN durch den Karteninhaber entwendet worden und es bestünden tatsächliche Umstände, die auf diese Ursache für die missbräuchliche Barabhebung schließen lassen: In dem betroffenen Bereich von Hamburg komme es, wie die dortige Polizeibehörde bestätigt hat, allgemein häufiger vor, dass Personen bei ihrer PIN-Eingabe beobachtet und ausgespäht werden, um im Anschluss die EC-Karte zu entwenden und missbräuchlich zu nutzen. Nicht immer werde dies zur Anzeige gebracht.

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§ 675u BGB – Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge

Im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers gegen diesen keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen. Er ist verpflichtet, dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden ist, dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte. Diese Verpflichtung ist unverzüglich, spätestens jedoch bis zum Ende des Geschäftstags zu erfüllen, der auf den Tag folgt, an welchem dem Zahlungsdienstleister angezeigt wurde, dass der Zahlungsvorgang nicht autorisiert ist, oder er auf andere Weise davon Kenntnis erhalten hat.

Artikel-Informationen

erstellt am:
09.09.2021
zuletzt aktualisiert am:
14.09.2021

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